
Öffnungszeiten
Die Galerie ist geöffnet Mi—Sa 15—19 Uhr
Vernissage Mi 22. Oktober 19 Uhr
Finissage So 9. Nov. 15—19 Uhr

ARMIN SANDIG —
Zwischen Schönheit, Abgrund und Verwandlung
Armin Sandigs künstlerisches Schaffen ist geprägt von einem Spannungsverhältnis scheinbarer Gegensätzlichkeit: Abstraktion und Gegenständlichkeit, Heiterkeit und Melancholie, Mythos und Alltag. Seine Bilder sind offen, erzählfreudig und lassen sich nicht festlegen, sind nie eindeutig. Sie fordern und faszinieren uns, sie lassen uns lachen, stimmen uns nachdenklich, sie irritieren und verführen. Nicht das Entweder-Oder, sondern das Entweder-und-Oder ist für ihn das Entscheidende. Damit sind umfangreiche Werke entstanden, die sich nie erschöpfen, sondern immer wieder neu entdeckt und gelesen werden können.
Sandigs Arbeiten, besonders seine Aquarelle, zeigen eine kontinuierliche Entwicklung: von den frühen, Informel-Kompositionen hin zu collagierten, technisch ausgefeilten Bildern, die eine subtile räumliche Tiefe erzeugen. Die hier gezeigten Tier-Aquarelle sind feine, grazile Studien, in denen die Zartheit der Natur aufscheint. Die Tiere erscheinen als poetische Metaphern, verschmelzen mit Strukturen, öffnen Räume für Erinnerung und Fantasie. Dabei war für ihn das Handwerk nie nebensächlich, sondern eine grundlegende Voraussetzung für gelungene Kunst. „Gute Kunst setzt gutes Handwerk voraus“, betonte er — und die Präzision, mit der er Linien, Farben und Flächen einsetzte, zeugt davon.
Ein zentrales Thema seiner Kunst ist die Verwandlung — von Material in Ausdruck, von Farbe in Emotion. Seine Bilder sind mehr als bloße Oberflächen: Sie vermitteln uns ein Gefühl von Selbstverständlichkeit, ein „so-und-nicht-anders“, das den Betrachter in eine Welt mitnimmt, in der nichts endgültig ist. Sandigs Haltung zur Kunst war dabei zutiefst existenziell: „Es war der Drang, mich auszudrücken. Auszudrücken über ¬das hinaus, was mit Worten und Gesten mittelbar ist. Mit Farbe und Form Zuständlichkeiten, Gestimmtheiten, Weltsicht, Weltentwürfe und Träume zu artikulieren, die sich dem verbalen Ausdruck entziehen.“
Ein besonderer Reiz seiner Werke liegt in der Gleichzeitigkeit von Gegensätzlichem. Das Groteske trifft auf das Anmutige, das Verstörende auf Humor. Die Motive erscheinen wie Fragmente eines unerschöpflichen Bilderkosmos, in dem sich menschliche, tierische und traumhafte Elemente überlagern und verweben. Malerei wird bei ihm zur Bühne, zum Welttheater.
Ein besonders starkes Sujet in Sandigs Werk sind die Köpfe. Seit den 1980er-Jahren entstanden über hundert dieser Bildnisse — keine Porträts im klassischen Sinne, sondern vielmehr Spiegel innerer Zustände. Die Gesichter sind oft verzerrt, überlagert, mit verschobenen Proportionen und verwischten Konturen. Sie changieren zwischen Nähe und Fremdheit, Offenheit und Rätsel, Humor und Schmerz. Ihre expressive, gestische Ausführung verbindet die Tradition der Porträtmalerei mit dem Vokabular der abstrakten Kunst.
Auch in seinen Figuren werden die Grenzen zwischen Mensch und Natur, zwischen Mann und Frau, zwischen Innen und Außen bewusst aufgehoben. Groteske Gestalten treffen auf deformierte Körper und Komik und Tragik liegen dicht beieinander. Sandig verbindet Mythos und Moderne, Verführung und Abgrund, Heiterkeit und Melancholie. Seine Bildhintergründe sind oft lichtblau, fast paradiesisch, und doch verwandelt sich dieses Paradies in eine Hölle aus Linien, Farben und Formen, die Wollust, Gewalt und Verzweiflung andeuten. Gerade dieser Bruch – das Nebeneinander von Schönheit und Verstörung – macht den Reiz seiner Bildwelten aus. Das Bild dient dabei nicht der Abbildung, sondern der Sichtbarmachung von Wahrheit – einer Wahrheit, die sich in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zeigt. Sandig selbst formulierte es so: „Es geht vor allem darum, den Begriff der Schönheit neu mit Sinn zu erfüllen … Am liebsten hätte ich ein neues Wort für die im Bild offenbar und ansichtig werdende Wahrheit, die alles dunkel Abgründige, ja selbst das Abstoßende menschlichen Wesens & Waltens, ebenso selbstverständlich umgreift (einbegreift), wie seine Helle & Heiterkeit.“
Diese umfassende Auffassung von Schönheit macht Sandigs Werk so aktuell und kraftvoll. Seine Bilder sind keine abgeschlossenen Erzählungen, sondern eröffnen Räume — inspiriert von Fantasie, angetrieben von der Lust am Experiment, getragen von einer zutiefst humanen, künstlerischen Haltung. Bis zuletzt blieb er sich treu: keinem Stil verpflichtet, keiner Masche folgend. Immer suchend, immer neu erfindend — mit einer Handschrift, die unverwechselbar ist.
Sie sind herzlich eingeladen und wir freuen uns auf Ihren Besuch.
— Das THE YARD Team
Unser Dank gilt der Stiftung Armin Sandig e.V., die diese Ausstellung ermöglicht hat.
VITA
Prof. Armin Sandig wurde 1929 in Hof/Saale (Bayern) geboren. Als Maler und Grafiker war er Autodidakt. 1947 wurde er mit dem Jean Paul-Preis der Stadt Hof ausgezeichnet. Er gehörte zur Gruppe ZEN, wurde jedoch nicht offiziell aufgenommen, weil er einigen Mitgliedern zu jung war. In den 50er Jahren war er ein exponierter Vertreter des Informel, was sich daran zeigt, dass er in der Ausstellung »Junge Maler aus Deutschland und Frankreich« 1958 im Kunstmuseum Luzern mit zehn Arbeiten vertreten war. 1960 erhielt er das Lichtwark-Stipendium, 1972 den Edwin-Scharff-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg und 1980 den Preis des Internationalen Zeichenwettbewerbs in Nürnberg.
Seit 1972 war er ordentliches Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg, von 1975 bis 1980 war er deren Vizepräsident, von 1980 bis 2011 ihr Präsident, anschließend ihr Ehrenpräsident.
Mehr als drei Jahrzehnte unterrichtete Sandig Akt- und Porträtzeichnen an der Hamburger Fachhochschule für Architektur, später Hafencity Universität. 1989 wurde ihm seitens der Freien und Hansestadt Hamburg eine Ehren-Professur verliehen. 1992 erhielt Sandig den Friedrich-Baur-Preis für Bildende Kunst der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. 2002 wurde Armin Sandig in Anerkennung seiner Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. 2010 erfolgte der Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Hof.
Er starb am 7. August 2015 in Hamburg.