Anna Vinnitskaya

Pianistin

Rotziges Tastenviech, kecker Kuckuck, samtpfötige Löwenkönigin von diamantener Kraft – eine sagenhafte Klaviermenagerie scheint das zu sein, die der Kritikerchor so vielstimmig besingt. Doch sie beherbergt nur ein einziges animal musicum, ein pianistisches Fabelwesen: Anna Vinnitskaya. Angriffslustig, swingend, dezent, barbarisch, cool sind einige der Attribute, die die Presse ihr zuschreibt. Wer diese exzellente, fantasievolle, empfindsame Musikerin im Konzert erlebt, dem springen und klingen die Assoziationen.

Gebürtig aus dem russischen Novorossijsk, lebt Vinnitskaya (nach Studien bei Sergei Ossipienko in Rostow) seit 2002 in Hamburg: nicht etwa in Hagenbecks Tierpark, sondern zunächst als Meisterschülerin beim großen Evgeni Koroliov, heute als Professorin an der Hochschule für Musik und Theater. Wenn sie nicht gerade unterwegs ist auf den Podien der weiten musikalischen Welt.

Vinnitskayas vielseitiges Repertoire reicht von Johann Sebastian Bach bis zu Sofia Gubaidulina. Ihre besondere Liebe gilt den großen russischen Klavierkomponisten wie Rachmaninov, Prokofiev oder Schostakowitsch und dem schillernden Klavierwerk von Ravel, Debussy und Chopin. In jüngerer Zeit erregten ihr Brahms und Bartók Aufsehen. So spielte sie an einem einzigen Nachmittag in der Berliner Philharmonie alle drei Klavierkonzerte von Bartók (mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester unter Marek Janowski).

Publikum und Kritik waren gleichermaßen begeistert. Sie schätzen, dass Vinnitskaya nicht nur spektakuläre Feuerwerke zünden kann, sondern auch große Gemälde zu malen versteht: Ihre technische Brillanz ist nie virtuoser Selbstzweck, sondern verbindet sich mit einem natürlichen, dabei farbenreichen Klang und mit der Fähigkeit zur Gestaltung langer, durchdachter Bögen.

Als Solistin konzertiert Vinnitskaya mit bedeutenden Orchestern von Berlin (Deutsches Symphonie-Orchester) bis London (Royal Philharmonic), von München (Münchner Philharmoniker) bis Tokyo (NHK-Sinfonieorchester), von Birmingham (City of Birmingham Symphony) bis Tel Aviv (Israel Philharmonic). Auch bei den führenden Rundfunkorchestern ist Vinnitskaya regelmäßig zu Gast.

Zu den Dirigenten, mit denen sie bereits zusammengearbeitet hat, gehören sowohl Pultstars der jüngeren Generation wie Andris Nelsons, Kirill Petrenko oder Krzysztof Urbański als auch Altmeister wie Charles Dutoit, Vladimir Fedoseyev und Marek Janowski. CD-Einspielungen von Anna Vinnitskaya wurden mit zahlreichen Preisen wie dem Diapason d’Or, der Gramophone Editor’s Choice und dem ECHO Klassik ausgezeichnet.

Ihren ersten internationalen Wettbewerb gewann Vinnitskaya im Alter von 12 Jahren. Zu ihren wichtigsten Preisen zählen eine Auszeichnung beim Busoni-Wettbewerb in Bozen 2005, der 1. Preis beim Concours Reine Elisabeth in Brüssel 2007 und der Leonard Bernstein Award des Schleswig-Holstein Musik Festivals 2008.

In der Saison 2016/17 war Anna Vinnitskaya Solistin in Residenz des WDR Sinfonieorchesters und nahm gemeinsam mit Chefdirigent Jukka-Pekka Saraste die Klavierkonzerte von Béla Bartók auf.

Albrecht Selge